Dienstag, 21. Oktober 2008

Eindrücke von den letzten Abenden

Wenig erfreuliches habe ich während den letzten beiden Abenden gehört.
Am Samstag war die Präsentation über palästinensische Gefangene noch merkwürdig unpersönlich, obwohl Sa'ad Nimmr selber mit 15 Jahren schon im Gefängnis war.
Gestern Abend haben dann zwei Freunde von mir berichtet, wie ihre Zeit im Gefängnis war. Einer hatte mehr oder weniger Glück, er war nur 6 Monate in administrativ Haft. Er hat sogar von den "guten" Seiten des Gefängnisses gesprochen. Man bekommt Essen, Bücher (obwohl zensiert, besser als keine) er konnte sich weiter bilden.
Trotzdem haben beide mit den krassen Verhörmethoden Bekanntschaft gemacht. Das erste was sie erzählten, war, dass sie in eiskaltes und anschließend in sehr heißes Wasser getaucht wurden, dass mehrere male hintereinander. Beide hatten aber nichts zu verbergen, wie wohl die meisten die in administrativ Haft gehalten werden, wozu dient sonst die administrativ Haft?
Die zweite Methode ist wohl noch schlimmer. Man kann sich das o, wenn man nicht den entsprechenden Gesichtsausdruck der Menschen sieht, die einem das erzählen. Es sind keine Einzelfälle wie mir alle versichern.
Man bekommt Handschellen angelegt, die Arme hinter dem Rücken, dann wird ein Seil daran befestigt und über eine Rolle an der Decke gelegt. Anschließend wird angezogen. Das heißt die Arme hinter dem Rücken hochgezogen, solange bis auf den Zehenspitzen steht. Wenn man also versucht die Arme zu entlasten, streckt man sich noch ein bisschen, bis die Zehenspitzen schmerzen, dann versucht man diese zu entlasten und sofort schmerzen die Arme wieder. Macht das mal ein paar Minuten, ihr werdet verrückt. Sie mussten so Stunden verbringen, nicht nur Minuten. Einer meinte, er stand 22 Stunden in dieser Position. Danach fühlst du nichts mehr.
Wenn man danach immer noch nicht bereit ist auszusagen, was man nicht getan hat, wiederholt sich das Spiel. Oft nur mit wenigen Stunden Pause dazwischen, gerade was nötig ist um neue Fragen im Verhörzimmer zu stellen.
Einer der beiden wurde mitten in der Nacht aufgeweckt, brutal geschlagen. Nach dem Verhör was keine Ergebnisse brachte wurde es am nächsten Tag nochmal versucht (er hat keine medizinische Behandlung in der Zwischenzeit bekommen). Im Verhörzimmer wurde sein Kopf auf den Tischgeschlagen, er war bewusstlos. Als er aufwachte war er im Krankenhaus in Ein Karem, in Jerusalem. Dies teilte ihm eine Krankenschwester mit, nach dem er sie fragte. Sie versuchte weiterhin Informationen aus ihm herauszubekommen, er konnte aber nichts sagen, da er nichts anzufangen wusste mit den Namen, die ihm aufgetischt wurden. Er war selbst im Krankenhaus an einem Arm und Bein an den Boden gefesselt, als ob er mit zertrümmertem Gesicht hätte fliehen können. Nach 4 Jahren und zwei Monaten wurde er entlassen. Die ganze Zeit war er in administrativ Haft die eigentlich auf 6 Monate angelegt ist.

Die zweite Geschichte die ich heute hörte, ist das noch erschütternder, ich weiß nicht, was ich solchen Menschen hier erwiedern soll, wenn sie mich fragen, warum ich hier bin. Das Argument, dass die Menschen und die Landschaft hier mag ist wenig zufriedenstellend für sie. Nichts desto trotz freuen sie sich, dass man ihnen zuhört.
2002 während der zweiten Intifade mussten sein 9 monatiger Sohn ins Krankenhaus. Seine Frau und er sind aus dem Haus gegangen und haben die Soldaten nicht gesehen, die um die Ecke standen. Seine Frau wurde mit zwei Schüssen in den Hinterkopf getötet, vor seinen Augen mit dem 9 monatigen Sohn in den Armen. Das letzte was sie sagte, war der Name von ihrem Mann. Ihr Mann hat überlebt, er hat einen Schuss in den seitlichen Hinterkopf und die Schulter bekommen. Er hatte Glück. Seine Frau war 21 und er damals ca. 28 Jahre. Es war ihr erstes gemeinsames Kind.

Vor einiger Zeit war dann noch im palästinensischen Gefängnis, er wusste nicht warum. Er vermutet, dass das israelische Militär gemeinsame Sache mit der palästinensischen Polizei macht. Diese hatte ihn knapp neben die Beinarterie zwischen den Beinen geschossen. Er war dann 40 Tage im palästinensischen Gefängnis, hat auf dem Steinboden geschlafen, mit einer Lage Zeitung unter sich. Tagsüber zum ersticken heiß (das Gefängnis ist in Jericho) und nachts zum erfrieren kalt.

Ihr mögt sagen, ja dass ist einer unter vielen. Stimmt! Und die Menschen in Darfur oder im Irak, in Afghanistan oder in den Favelas in Sao Paulo. Ja ihr habt recht, den gehts nicht viel besser, wenn nicht schlechter. Aber diese Menschen habe ich gesehen, mit einigen von ihnen habe ich Tag für Tag zu tun. Da gewinnt die ganze Problematik an Ausdruck und Persönlichkeit. Wir dürfen uns nicht abstumpfen lassen von den Zeitungs und Fernsehberichten, über Hungersnöte und Kriege. Wir müssen uns daran erinnern lassen, dass hinter Zahlen Menschenleben stehen/standen. Wir können was gegen diese Ungerechtigkeit tun, wir müssen es, dass steht in unserer Verantwortung. Und zwar jetzt, nicht morgen!

Um mit was schönen abzuschließen, es gibt mittlerweile bestimmt drei Familien die versuchen mich hier zu verheiraten :-) Mal sehen was daraus wird. Allerdings würde ich harte Bedingungen stellen, wie ich heute hörte. Die Frau müsste mir erlauben, auch mal zu kochen, dass wüssten sie nicht, ob das geht :-)

Gute Nacht

PS: Morgen brauche ich alle gedrückten Daumen für meine erste mündliche Prüfung!

1 Kommentar:

annie alina hat gesagt…

danke fuer die klaren worte