Der erste Tag ist zu ende ... wow das fühlt sich gut an. Ich sitze vor meiner Bude, denn viel mehr ist es echt nicht. (Ich habe keine Kamera, sonst gäbs Bilder, aber ich werds nach holen) Es ist ruhig, ein Taxi fährt vorbei, irgenwo krachen Böller, vielleicht eine Hochtzeit, ein Tor quitscht, irgendwo brumt eine Kühlung, Stechmücken fliegen um herum, der Kater trinkt.
Eigentlich echt idylisch, oder? Anders als anderswo? Ja und nein. Man muss verschiedene Sachen einfach mal ausblenden, dann geht alles und überall ist es schön, oder doch nicht?
Eine meiner noch Mitbewohnerinnen kommt nach Hause, sie ist aus Marokko und weiß noch nicht, wie lange sie noch hier in der Wohnung bleibt. Sie würde gerne in den nächsten Monaten so oft wie möglich nach Jerusalem zum beten, warum? Ahhh ja, morgen beginnt der Fastenmonat Ramadan. Von mir aus gerne, solange ich nicht mit fasten und beten muss. Obwohl, warum nicht? Man könnte das ja mal ausprobieren, vor Sonnenaufgang kräftig essen und trinken, dann erst nach Sonnenuntergang wieder. Bestimmt eine gute Übung. Gut für den Körper? Weiß ich nicht, so schlimm kann es auch nicht sein, schließlich machen es einige millionen Menschen Jahr für Jahr über die ganze Welt verteilt. Gut für die Seele? Bestimmt, die Gedanken mal auf anderes konzentrieren, der Tag wird bestimmt viel länger, wenn man nicht ständig ist. Vielleicht bekommt Essen und essen auch wieder eine andere Bedeutung? Wäre ziemlich angebracht in der heutigen Zeit, so wie wir mit E/essen umgehen zeugt es nicht gerade von Dankbarkeit unserem Ernährer gegenüber.
Eigentlich wollte ich über den Rest meines Tages schreiben, Als ich heute Nachmittag im Internet Caffe saß, hat mich eine alte Freunding aus Ramallah über Skype angeschrieben, wo ich denn sei, ob wir uns nicht treffen wollen. Klar, warum nicht, wäre schön dich wieder zu sehen. Bis gleich ...
wir gehen ins Cafe de la paix, Cafe des Friedens, wow irgendwie unwirklich, wobei die Geburtstagfeiernden sind friedlich und vorallem fröhlich → schön!
Sie erzählt viel über ihr Leben, dass es nicht einfach ist in der letzten Zeit. Zwei Brüder sind in der Ukraine zum Studium, einer hat sich dort sogar schon ein Haus gekauft. Ihre Großmutter und Mutter leben in einem kleinen Dorfe namens Masha, in der nördlichen Westbank in Salfit. Das Haus der letzten Generationen dort wurde abgerissen, weil der Onkel das Land verkauft hat, er brauchte Geld. Es stehen zwie weitere Häuser dort, in einem lebt die Mutter, das andere ist noch ein Rohbau und soll für die Kinder sein, die aber nicht zurück kommen wollen und auch nicht genug Geld haben, es fertig bauen zu lassen. Die Mutter will unbedingt beide Häuser behalten, auch das dazugehörige Land will sie nicht verkaufen, sie hänfgt sehr daran. Ihr Vater besaß sehr viel Land un hatte großes Ansehen in dem Dorf. Mittlerweile bleibt nur noch ein kleiner Teil davon, aber keiner ist da um es zu bestellen. Meine Freundin und ihr Bruder streiten sich immer darum, wer jetzt bei der Mutter bleiben soll, die Felder bestellen und sich um sie kümmern soll. Die Freundin unterrichtet Französisch in Ramallah an der Uni, deswegen kann sie sich nicht vorstellen, zu rück zu kommen. Ihr Bruder möchte eigentlich in Nablus arbeiten, sehr kompliziert mit vielen Erwartungen, traditionellen Gegebenheiten usw. Für meine Bekannte ist es nicht einfach, wie weit kann man gehen, für sich zu arbeiten, sie möchte noch einen PHD machen, seinem Weg zu folgen und gleichzeitig seiner Familie den nötigen Respekt mit dazugehöriger Unterstützung zu zollen. Ein Dilemma.
Wir gehen dann ins französisch-deutsche Kulturzentrum, ein schöner Ort mit vielen kulturellen Aktivitäten für junge Leute. Dort lerne ich dann meinen vorraussichtlichen Mitbewohner kennen. Er hat auch einen Kühlschrank den er mitbringen könnte. Das wäre toll. Ich hab nur Waschmaschine und Herd, ein Kühlschrank wäre schon was tolles. Auf der anderen Seite genieße ich auch gerade das allein sein, Gedanken sammeln, Kraft bei einem schönen Buch zu sammeln. Für ihn ist Ramadan nicht wichtig, deswegen möchte er gerne Party machen, mal sehen was daraus wird.
Noch eine spannende Unterhaltung hatte ich mit Maria, sie ist quasi meine Vormieterin und war jetzt zwei Monate hier. Sie meinte dass sie keine Israelies kennen gelernt habe, meinte aber dass sie es eigentlich wolle. Sie fragt mich, auf welcher Seite ich stehe, Israel oder Palästina. Ich sage eigentlich wäre ich gerne neutral oder zumindest objektiv. Aber allein an meinen Aufenthalten hauptsächlich in palästinensischem Gebiet machen ja schon deutlich, dass ich das nicht sein kann. Ich weiß um diese Problematik, dass ist schon mal viel Wert, aber trotzdem wie damit umgehen? Für die einen ist Palästina besetzt, die anderen sagen, sie verteidigen nur ihr Land und wollen sich schützen. Wo ist hier die Objektivität? Oder Neutralität? Muss bzw. kann man überhaupt objektiv oder neutral mit einer klaren Meinung sein? Ich hoffe einige Antworten in der Biografie von Nelson Mandela zu finden. Sie ist gleichzeitig Aufarbeitung der Südafrikaerfahrung und Vorbereitung und moralische Stütze für hier.
Es wird spannend, wie es hier weiter geht, ich freue mich hier zu sein, es fühlt sich richtig an. Trotz des wenigen Schlafs in der letzten Zeit und allen Anstrengungen fühle ich mich erstaunlich kräftig und schon wieder voller Tatendrang. Hoffentlich hält das an.
Eine kleine Geschichte noch zum Sonnenaufgang in dem Eintrag „Landung und Transfer“ Die habe ich letztes Jahr im Mai geschrieben. Sie drückt für mich ziemlich viel aus, vorallem weil ich eine ähnliche Stimmung an einem anderen Ort heute wieder erlebt habe.
Ich – ein Vulkan
Da steht ein Mensch auf einer Treppe, sie führt - wohin ... ?!
Das Gesicht klar wie die untergehende Sonne über der Linie des Horizonts in der Ferne. Die Augen blicken so weit wie Gedanken reichen können, ein ruhiges und zufriedenes Lächeln um den Mund, gespitze Ohren die dem Wind lauschen.
Etwas wichtiges scheint der Person wieder fahren zu sein. Ihr Körper macht den Eindruck, als ob er über eine lange Reise zu erzählen hätte, als ob jemand nach Hause kommt, die Verbindung zu seinen Vorfahren, zur Quelle des Lebens und der Kraft des guten Willens findet.
Zuvor war der Mensch durch Gefühle, Gedanken und Eindrücke von sich selbst und anderen sehr verwirrt und beunruhigt, wie ein aktiver Vulkan der Feuer, Staub und Asche hervorbringt ... altes verwerfend, immer etwas neues schaffend. Ab einem bestimmten Punkt dann fließt der geschmolzene Stein langsamer und langsamer, hört irgendwo auf zu fließen und findet seinen Platz. Diese Steine haben ein Fundament im Leben, doch sie verändern sich weiter durch Erosion, Luft, Wind und Wasser.
Der Mensch auf der Treppe scheint einer dieser Steine zu sein die ihren Platz gefunden haben, innerlich kochend, nach außen hin ruhig und bestimmt.
Plötzlich verschwindet die Sonne hinter dem Horizont, damit der Mensch auf der Treppe. Hoffentlich werde ich diese Person noch einmal treffen, die mit ihren Augen Richtung Zukunft deutet.
Wenn wir schon bei den Geschichten sind, dann hier noch die folge Geschichte. Vielleicht erkennt ihr einen Unterschied zwischen den beiden, vorallem in Bezug auf ihren Entstehungsort.
Der Suchende
Ich treffe einen Suchenden ... frage wonach er sucht. „Ich sehe keinen natürlichen Horizont mehr, ich möchte wieder einmal die Sonne im Meer untergehen sehen“ sagt er in Gedanken versunken.
Ich horche auf, was möchte mir der Suchende sagen? Er erzählt weiter, von Kindern denen er begegnet ist, die ihn humor- und liebvoll Abu Ali genannt haben. „Diese Kinder, die ich in schmalen, verwinkelten Gassen traf, mich aus verschmitzen Augen anschauten, habe ich aufgefordert einen Spielplatz zu säubern. Sie sahen mich, mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt an, und lachten, wenn wir den Müll weg räumen, morgen ist er wieder da.“
Der Suchende sagt zu mir: „weißt du, mit den Menschen hier ist es wie mit den Steinchen am Meer, sie bewegen sich nur zusammen. Ein kleines Steinchen kann nicht in der bewegten Menge an seinem Platz bleiben.
Ich habe es versucht, hatte meinen Traum von einem Platz an dem man sich begegnen kann, von Mensch zu Mensch. Dann holten mich die „Steinchen“ ein, mein Bruder verließ uns, wenige Tage später hörte ich was geschehen war. Meine Schwester konnte es nicht glauben und folgte ihm ... Damals habe ich angefangen zu suchen.“
Mir kommt der Gedanke fragen, ob er sich noch erinnern kann, wie es aussieht kurz bevor die Sonne im Meer versinkt. Er bejaht. Ein lächeln zieht durch sein Gesicht: „Danach suche ich, nach einem Menschen, der durch die Brandung der klaren Linie des reflektierenden Sonnenlichts folgt, ein deutliches Ziel vor sich!“
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